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Impuls zum 4. August 2024

Zum 18. Sonntag im Jahreskreis

Von Odilo Metzler (Stuttgart), Mitglied im Bundesvorstand

Brot und Rosen

1. Lesung: Ex 16,2-4.12-15
Das ist das Brot, das der HERR euch zu essen gibt.

2. Lesung: Eph 4,17.20-24
Lasst euch erneuern durch den Geist in eurem Denken!

Evangelium: Joh 6,24-35
In jener Zeit, als die Leute sahen, dass weder Jesus noch seine Jünger am Ufer des Sees von Galiläa waren, stiegen sie in die Boote, fuhren nach Kafárnaum und suchten Jesus.
Als sie ihn am anderen Ufer des Sees fanden, fragten sie ihn: Rabbi, wann bist du hierhergekommen?
Jesus antwortete ihnen: Amen, amen, ich sage euch: Ihr sucht mich nicht, weil ihr Zeichen gesehen habt, sondern weil ihr von den Broten gegessen habt und satt geworden seid.
Müht euch nicht ab für die Speise, die verdirbt sondern für die Speise, die für das ewige Leben bleibt und die der Menschensohn euch geben wird! Denn ihn hat Gott, der Vater, mit seinem Siegel beglaubigt.
Da fragten sie ihn: Was müssen wir tun, um die Werke Gottes zu vollbringen? 
Jesus antwortete ihnen: Das ist das Werk Gottes, dass ihr an den glaubt, den er gesandt hat.
Sie sagten zu ihm: Welches Zeichen tust du denn, damit wir es sehen und dir glauben? Was für ein Werk tust du? Unsere Väter haben das Manna in der Wüste gegessen, wie es in der Schrift heißt: Brot vom Himmel gab er ihnen zu essen.
Jesus sagte zu ihnen: Amen, amen, ich sage euch: Nicht Mose hat euch das Brot vom Himmel gegeben, sondern mein Vater gibt euch das wahre Brot vom Himmel. Denn das Brot, das Gott gibt, kommt vom Himmel herab und gibt der Welt das Leben.
Da baten sie ihn: Herr, gib uns immer dieses Brot!
Jesus antwortete ihnen: Ich bin das Brot des Lebens; wer zu mir kommt, wird nie mehr hungern, und wer an mich glaubt, wird nie mehr Durst haben.

Gedanken zum Evangelium 
Jeden Tag werden in unserem Land 1.300 Tonnen Brot weggeworfen. Das entspricht dem Tagesbedarf von Niedersachsen. Dies zeigte eindrücklich der deutsche Dokumentarfilm „Taste the Waste“ aus dem Jahr 2011. Wie andere Lebensmittel kann Brot jeden Tag billig gekauft werden, viele werfen es bereits am nächsten Tag weg. 

Ich bin auf einem Bauernhof aufgewachsen. Wir haben auch Getreide angebaut. Bevor meine Mutter einen Laib Brot anschnitt, hat sie ihn mit dem Messer bekreuzigt. Auch das selbst gebackene Brot empfand sie als Geschenk Gottes, das nicht selbstverständlich ist. Die Generation meiner Eltern und Großeltern kannte nicht nur die Erfahrung des Hungers aus der Zeit des Krieges. Sie wusste auch, dass Ernten gefährdet waren und ausfallen konnten. Sie baten um gutes Wetter und um den Schutz der Felder und Gärten vor Schäden. Sie wussten, dass unser Leben abhängig und gefährdet ist. 

„Wohlstand für alle“ war die Verheißung der westlichen Nachkriegsgesellschaft. Jedenfalls war der Hunger als Alltagserfahrung überwunden. Es war das Versprechen einer Gesellschaft, die nicht auseinanderbricht in Lebenswelten von Superreichen und Perspektivlosen. Heute gehört Hunger in unserem Land nicht zur Erfahrung vieler. Dennoch wird über Kinder berichtet, die ohne Frühstück und Pausenbrot in die Schule kommen. Ich kannte Studierende aus Entwicklungsländern, die weniger als 50 Euro im Monat für Essen zur Verfügung hatten. Und auch in Stuttgart beschämen mich lange Schlangen vor dem Tafelladen.
Brot stärkt, gibt Kraft, ist Rettung, Tag für Tag. Über 700 000 Menschen wird sie verweigert, alle 13 Sekunden stirbt ein Kind an Hunger. Der ehemalige UN-Sonderberichterstatter für das Recht auf Nahrung, Jean Ziegler, sprach beim Hungertod von Mord, nicht nur, wenn er wie in Gaza oder im Sudan als Kriegswaffe eingesetzt wird. Dass das gegen Gottes Willen ist, macht die Speisung der vielen deutlich, die dem heutigen Evangelium voraus geht. Sie ist ein Zeichen des Gottesreichs. Sie zeigt, wie Gott die Welt will, wozu Jesus gekommen ist: dass Menschen das Leben und die Würde ihrer Mitmenschen fördern. „Brot vom Himmel“ ist, wenn Menschen teilen und für Gerechtigkeit kämpfen. 

Der menschliche Hunger ist ein Hunger nach einem erfüllten Leben, nach sinnvoller Arbeit, nach echter Gemeinschaft, nach Liebe und Gerechtigkeit. Deshalb geht es Jesus nicht nur darum, dass die Menschen satt werden. Wie in der Wüste ist Brot lebensnotwendig aber nicht das Ziel des Lebens.

Leben ist mehr als Arbeiten und Essen. Zum Leben gehört auch Schönheit, Liebe und Kunst. Das sangen amerikanische Textilarbeiterinnen bei ihrem Streik im Jahr 1912 und forderten Brot und Rosen. Das Lied von Brot und Rosen hilft uns zu verstehen, was im Johannesevangelium mit dem geheimnisvollen Wort gemeint ist: „Ich bin das Brot des Lebens.“ 

Christus ist für die Menschen, die mit ihm leben, Brot, Licht, Weg und Tür zu erfülltem bleibendem Leben. Er ist das Brot, das Beziehungen stiftet, weltweit, das Nahrung ist für den Hunger nach Liebe und Gerechtigkeit, nach Barmherzigkeit und Menschenwürde. Er ist das Brot, das stärkt auf den Wüstenwegen des Lebens, wenn wir aufgeben wollen und nicht mehr glauben und hoffen können. 

Brot des Himmels können wir nicht besitzen, sammeln und horten. Es gibt uns, was wir Tag für Tag brauchen: Liebe, Trost, Ermutigung, Gemeinschaft, die kämpft und feiert, dass es erfülltes Leben gibt, die solidarisch ist und barmherzig, und die so beiträgt zur Heilung der Welt.

„Was müssen wir tun, um die Werke Gottes zu vollbringen?“ fragen die Menschen Jesus im Evangelium. Was sollen wir tun, fragen auch wir.  Glauben, hoffen und lieben, dass Brot geteilt wird, Brot von der Erde und Brot vom Himmel, Brot und Rosen.

Gebet
Gott im Himmel,
wie gehst du nur mit deiner Ohnmacht um, wenn wir Menschen das Brot der Erde, das tägliche Brot nicht mehr schätzen, es gar denen verweigern, die es zum Leben brauchen?
Wie gehst du nur mit deiner Ohnmacht um, wenn wir anderen das Brot des Himmels verweigern, die Rosen, Liebe und Solidarität, Bildung und Teilhabe am Leben, Gerechtigkeit und Frieden. 
Wie gehst du mit deiner Ohnmacht um, wenn wir Menschen dazu beitragen, dass die Erde leidet, weil wir sie nicht achten, das Klima, die Vielfalt der Arten, wenn wir Dürren, Überschwemmungen und in Kauf nehmen und stattdessen die Menschen bekämpfen, die vor Hunger fliehen.
Wir glauben nicht, dass es Brot vom Himmel gibt ohne uns, ohne unseren Beitrag und unser Teilen. Doch wir brauchen es selbst in unserer eigenen Ohnmacht, in den Wüsten unseres Lebens, wenn wir den Glauben an die eine Menschheitsfamilie, die Hoffnung und die Liebe aufgeben.
Gott im Himmel, stärke uns im Glauben an die Macht der kleinen Schritte.
So sei es uns gegönnt.

Odilo Metzler

„…dreh dein gesicht zu uns gott
komm zu denen die nach dir ausschau halten
mach uns satt am morgen von deinem licht…
bring uns brot und rosen mit, gott…
und hilf uns, deine welt bewahren
und treib das werk unserer hände voran
die gute arbeit der befreiung“

Dorothee Sölle

Herr, an manchen Tagen gehe ich leer aus.
Du, Gott, gibst mir kein Stück essbaren Brotes.
Aber solange ich lebe,
will ich nicht aufhören zu quengeln und zu jammern:
„Ein Stück Hoffnungsbrot,
lass uns doch nicht verhungern, Gott.“
Und noch eins Herr,
halte in uns den Hunger nach dir lebendig
und nach deinem Sohn, dem Brot des Lebens.

Dorothee Sölle